Mythen rund um den Ahlbecker See

Der Feuerkönig

I.

Da, wo sich heute zwischen den Ortschaften Ahlbeck, Vorsee, Hintersee und Gegensee der große Ahlbecker Seegrund mit seinen verführerischen Fennwiesen ausdehnt, war früher ein fischreicher See mit einer spiegelnden Wasseroberfläche. Auf einer künstlichen Anhöhe an dem westlichen Ufer liegt die Försterei Borgwall. Hier soll in heidnischer Zeit ein Heiligtum gewesen sein. Gewiss ist aber, dass an dieser Stelle immer wieder Feuersteingeräte, wie Messer, Pfeilspitzen, Dolche usw. gefunden worden sind. Es soll hier dem Donnergott geopfert worden sein.

Als noch der große See vorhanden war, haben die daran wohnenden Fischer oftmals auf dem Wasser eine riesige Gestalt mit Kopf und Füßen als eine mächtige Feuersäule gesehen; auch nachdem der See sich allmählich in eine Wiesenfläche umwandelte, ist diese unheimliche Erscheinung noch mehrmals, wenn auch immer seltener, gesehen worden. Wenn diese Gestalt gesehen wurde, kam sie langsam vom Schlossberg herabgeschwebt, mit bedächtigen Schritten bewegte sie sich über die Seefläche dahin; und als der See im allmählichen Verschwinden begriffen war, hat sie bedenklich den Kopf geschüttelt, als bedaure sie die Veränderung des Sees; schließlich hat sie sich dann voller Verzweiflung auf den nassen Wiesen hin und her gewälzt und ist dann langsam erloschen.

Zu weilen ist dann die feurige Gestalt wieder aus den Wiesen emporgestiegen, größer und feuriger als zuvor. Zum Schrecken der anwohnenden Fischer und Waldarbeiter ist das Gespenst dabei oft so nahe an die Gehöfte gekommen, dass sie in Gefahr waren, Feuer zu fangen. Fromme Gebete haben das aber immer verhindert. Alte Leute wollen noch wissen, dass jedesmal ein Mensch auf dem See oder in den Wiesen verunglückt sein soll.

 

II.

Als der Ahlbecker See noch von zahlreichen Fischern befahren wurde, kam wieder einmal der „Feuerkönig“, wie er von vielen genannt wurde, in einer finsteren Nacht auf den See. Er hatte diesmal eine feurige Krone auf dem Kopfe, die wie flüssiges Gold glühte; um seine Schultern wallte ein langer, feuriger Mantel, der vom Winde bewegt wurde. In der Hand hatte der Feuerkönig ein feuriges Schwert, mit dem er seltsame Figuren über seinem Haupte schlug. Bange standen die Fischer am Ufer und wagten nicht, mit ihren Booten hinauszufahren. Am liebsten wären sie geflohen, aber wie gebannt wurden sie am Ufer des Sees festgehalten.

Plötzlich tritt aus ihrer Mitte ein junger Fischer hervor, der erklärt, er wolle mit seinem Kahn auf den See hinausfahren. Alle Mahnungen und Warnungen der alten Fischer vermochten ihn nicht davon abzuhalten. Unerschrocken rudert er auf den See, der Feuerkönig weicht ihm ständig aus, doch in Wirklichkeit nur, um sein Opfer an sich zu locken. Da ist plötzlich die feurige Gestalt auf dem Wasser verschwunden, es ist wieder dunkle Nacht. Schon bricht ein furchtbarer Orkan aus, der das Wasser bis auf den Grund aufwühlt. Was mit dem jungen Fischer in dieser Zeit geschehen ist, hat niemand erfahren. Sein Kahn war am nächsten Morgen an der alten Stelle festgebunden; er selbst lag aber als Leiche darin.

 

III.

Trotzdem der Ahlbecker See, als er noch befischt werden konnte, in der ganzen Gegend verrufen war, wollten einmal die jungen Fischer an dem höchsten christlichen Feiertage zum Fischfang ausfahren. Die alten Fischer warnten ihre Kameraden, aber es nutzte nichts. Längere Zeit hatten die Fischer sich schon abgemüht, aber nicht ein einziger Fisch war in die Netze gegangen; missmutig gaben sie darum die Arbeit auf und ruderten dem Ufer zu. Da kam plötzlich ein gewaltiger Sturm auf, die Wellen türmten sich haushoch, und wie eine Nussschale wurde das Boot hin- und hergeworfen. Obgleich die Fischer schon nahe am Ufer waren und mit aller Kraft gegen Wind und Wellen ankämpften, wurde das Boot immer wieder zurückgeworfen, bis sie zuletzt den Tod in den Wellen fanden.

Es soll der Feuerkönig dabei seine Hand im Spiele gehabt haben.

(Sagen vom Ahlbecker Feuermann berichtet in abweichender Form auch Haas, Nr. 43).

Eine Hymne auf den „Ahlbecker See“

Schau ich auf das Fenn hinaus, fallen mir die Sünden der Menschheit auf.

Ach, wäre es doch schön, ein kleines Meer zu sehn.

Am Abend, mit kleinen Lichtlein, den Strand von Hintersee

und eine Gondel auf dem Weg von Ludwigshof nach Gegensee.

Viele kleine Fischerhütten, heute Bungalows, umsäumen den Rest des Sees,

in dem sich noch viele Aale, Zander und andere Edelfische im Verkauf sich wiedersehn.

Ach ja, es war einmal und schuld war der „olle Fritz“,

der König, der nicht wusste, was er tat, und wir haben den Salat.

Schön ist das Fenn, ihr könnt es seh'n, man kann es nur schwer begeh'n,

aber was daraus geworden ist, hat auch einen Sinn.

Drum ärgert euch nicht so sehr,

die Vielfalt der Natur macht das schon, schade um das alte Meer!

K.-H. Kriedemann